Ein Spatz


Am dritten Ateliertag des Jahres habe ich sehr viel vor. Vor allem ganz Verschiedenes. Unter anderem muss ich eine Entscheidung treffen, welche Material auf unserem Dachboden betrifft. Will ich es kreativ weiterverarbeiten oder wollen wir es weggeben? Ich müsste ja schon wissen, was ich damit anfangen möchte, jahrelang wollen wir die Sachen nicht aufbewahren. Es handelt sich um grosse alte Schulkarten, wie sie früher in den Unterrichtsräumen hingen.

Zuerst muss ich wissen, ob die grossen Dinger überhaupt Platz hätten im Raum. Ich habe den Klappmeter dabei und siehe da: es hätte Platz, ich müsste allerdings ein Plakat entfernen. Dann drucke ich Fotos von den Karten aus, um einen visuellen Anstoss zu haben. Das tue ich zu Beginn des Tages, wissend, dass mir nicht sofort eine gute Idee einfallen wird. Ich beschliesse, dass ich lieber zuerst ins Malen eintauchen will. Vielleicht inspiriert mich das.

Ich male als erstes am Aquarell weiter. Erneut erfreue ich mich an der Leuchtkraft meiner nach vielen Jahren wiederentdeckten Farben. Mit Pinsel und Farbe zu hantieren, macht mich einfach glücklich!

Dann wechsle ich zum grossen Acrylbild auf der Staffelei. Ich habe bereits letztes Mal ein Sujet ausgesucht und die Leinwand grundiert: ein verschneiter Berg soll es werden. Ich möchte aber nicht wie üblich mit dem Pinsel arbeiten, sondern wünsche mir eine etwas grobere Struktur. Ich verwende also den Spachtel. Der Anfang sieht so aus:

Natürlich ist das Bild noch längst nicht fertig, aber der Stil überzeugt mich jedenfalls schon mal. So kann ich weitermalen.

Aus Erfahrung weiss ich, dass es mir gut tut, wenn ich ein Bild fertigstellen kann, weil dies eine andere Befriedigung bringt, als wenn man an grösseren Arbeiten immer ein Stück weitermalt. Da mir die kleine Kohlmeise in der letzten Woche Freude bereitet hatte, zeichne ich diesmal einen Spatz. Irgendwie scheine ich Vögel zu mögen.

Mit dem Resultat bin ich zufrieden. Vor dem Mittag ist mir zudem bereits etwas eingefallen, was ich mit den alten Schulkarten anfangen könnte. Zuerst denke ich mir, dass wir davon wohl nur 5 Stück behalten sollten und den Rest abgeben. Denn 20 Karten werde ich wohl nicht weiterverarbeiten! In der Mittagspause rede ich mit meinem Mann darüber. Er findet, ich solle doch mit einer der Karten anfangen und sehen, ob ich damit etwas Zufriedenstellendes herstellen kann. Wenn es gelingt, behalten wir die weiteren Karten, ansonsten geben wir alle restlichen weiter und werfen die eine “verbastelte” eben weg. Das klingt vernünftig.

Ich bin sehr glücklich, dass mich im Moment die Inspiration und Zeichen- bzw. Malwut so intensiv gepackt hat. Vielleicht waren die zwei Monate gesundheitsbedingte Auszeit für die Kreativität nicht mal so schlecht?