Kein Rudolf


Am 18. Dezember ist Jahresendspurt vor Weihnachten und der Tag, an dem der Bundesrat vielleicht einen zweiten Lockdown verkündet. Ich beschliesse, mir etwas Gutes zu tun, indem ich den mir fehlenden inneren Frieden herbeizeichne. Nach einiger Überlegung, was denn am besten in die Jahreszeit passt, entscheide ich mich für ein Rentier.

Rentiere sind anders, als sie oft dargestellt werden. Meine Vorstellung war früher geprägt vom Stereotyp des fliegenden Santa Claus, dessen Schlitten ein Rudel Rentiere zieht. Aber Rentiere sind nicht ganz so elegant und hübsch, wie sie da oft abgebildet werden. Nein, es sind im Grunde recht witzige, schlaksige und unbeholfen wirkende Geschöpfe. Das stellte ich vor ein paar Jahren fest, als ich ihnen in Norwegen auf der Strasse begegnete. Sie trotteten damals seelenruhig an unserem Auto vorbei, während wir in heller Aufregung versuchten unsere Handys zu zücken, um Fotos zu schiessen. Die Füsse scheinen viel zu gross, sind aber sicher praktisch, weil sie wohl im Schnee weniger einsinken als schmale Hufe. Schön in dem Sinne fand ich sie bei jener Begegnung nicht, aber beeindrucktend auf jeden Fall.

Mein Rentier ist also kein amerikanischer “Rudolf mit der roten Nase”. Ja, es hat ein grosses, aber auch ein originell gewachsenes Geweih. Und einen Kopf, der viel weniger elegant ist als derjenige eines Rehs. Gefallen tut’s mir irgendwie trotzdem. Vor allem in der friedlichen Winterlandschaft, in der es sich befindet.